Pete scheint geradzu heißer Dampf aus den Ohren zu pfeifen, als er sieht, wie sich sein Schützling in der Ringecke wiederfinden muss. "Was ist los, du Hornochse?! Wehr dich! Lass dich nicht packen, dieser Typ ist ein Grappler!! Weich aus und geh' gegen den Kopf! Der Körper ist zu massiv, geh' gegen den Kopf!!" Wild hüpft der kleine Mann umher, sehr zur Belustigung von Greg, der beinahe lauthals lachen muss, dann jedoch wie Jordan seine Aufmerksamkeit wieder auf den Kampf lenkt.
Dieser läuft indessen weiter. Jorell scheint die Ratschläge seines Trainers zu beherzigen und bleibt wohlwissend auf Distanz. Im Grunde müsste er nur lächerliche 5 Minuten überbrücken, um eine Nierlage für die drei Besucher einzuläuten, doch sein Stolz und seine Arroganz lassen eine solche Passivität nicht zu. Immer wieder prescht er vor, beharkt Ralf mit kurzen Kombinationen und weicht wieder zurück. Wie eine Biene schwirrt er um ihn herum, piesackt ihn, ohne das der Koloss ihn in die Finger bekommt. Pete schaut hastig auf eine Uhr, die über der Eingangstür des Gyms angebracht ist. Der Sekundenzeiger tickt unaufhaltsam... schon drei mal hat er die Runde gemacht und setzt seinen Weg unbeirrt fort.
Ralf hat keine Ahnung von der genauen Zeit, doch für ihn geht das Katz-und-Maus-Spiel schon viel zu lange. Der Junge hat nun Respekt, will ihn zu Fehlern zwingen, ist jedoch schlau genug, sich nicht mehr allzu lange in seiner Reichweite aufzuhalten. Vielleicht spekuliert er ebenso darauf, ihn zu zermürben, doch seine eigene Ausdauer, so weiß der erfahrene Kämpfer, würde ohne Probleme über die Zeitgrenze hinweg ausreichen. Ralf grübelt. Er ist nicht langsam, doch Jorell ist schneller. Plötzlich geht eben jener auch schon wieder in die Offensive - kommt diesmal blitzschnell von der Seite. Ralf war unachtsam, zu sehr in Gedanken versunken. Der erste Schlag trifft ihn in die Leber, doch er spürt nur unangenehmes Zwicken. Als er sich der Angriffsrichtung zuwendet, geht er in die Falle. Jorell weicht geschickt seinem Konter aus, peitscht dann einen gewaltigen Uppercut unter das Kinn des Hünen. Der Kraftprotz wird nach oben gedrückt. Sein Kopf schnellt in den Nacken und als er wieder nach vorne sieht, trifft ihn die zweite Faust seitlichen am Unterkiefer. Ralf taumelt zwei Schritte zurück, spuckt warmes Blut und sieht aus dem Augenwinkel seinen Kontrahenten wie einen Derwisch um ihn herumwirbeln. Er reagiert zu spät. Ein Tritt in die Kniekehle zwingt ihn zu Boden. Der Schmerz zieht durch sein Bein hindurch, verfliegt aber rasch, wie ein laues Lüftchen. Wieder greift er zu, doch Jorell ist zu fix und aufmerksam genug, diesen Versuch vorherzusehen und entsprechend Abstand zu gewinnen. Noch während Ralf seinen schweren Leib wieder aufrichtet, schnellt der Schwarze wieder nach vorne zur nächsten Serie, denn er wittert seine Chance.
Kaltschnäuzig wirft sich der Muskelberg noch im Aufstehen wieder zu Boden, landet auf der Seite, bringt sofort seine beiden Beine zwischen eines der Fußgelenke Jorells und nimmt ihn so in die Schere. Er wirft den Körper herum und bringt Pete's Schützling so auf die Matte. Mit rasendem Eifer ist der bullige Kopftuchträger wieder oben - dieses mal vor seinem Kontrahenten. Er macht einen Satz, langt zu und hat den Wurm endlich wieder am Haken. Zuerst landet seine Faust krachend auf dem Hinterkopf des Schwarzen, der auf allen Vieren gerade im Begriff war, wieder aufzustehen. Jorell sackt zusammen. Grob zieht Ralf ihn (unter einer Achsel gepackt) hoch, geht in die Knie, greift mit der zweiten Hand ebenfalls zu und stemmt den Mann unter markerschütterndem Gebrüll hoch in die Luft. Jorell wiegt maximal 15 Kilo weniger als Ralf, doch das scheint diesem kaum Probleme zu bereiten. Wie schon lange nicht mehr, so brennt in ihm das ewige Feuer. Fast erliegt der einstige Grubenkämpfer seinem Drang nach mehr, doch er besinnt sich eines Besseren und beschließt, den Fight einfach zu beenden, ohne dem Jungen bleibenden Schaden anzutun. Als sein Schrei ausklingt, schleudert Ralf den Wehrlosen brutal zurück auf die Ringmatte. Dann wirft er sich erneut auf ihn, wendet einen bösartigen Haltegriff an und verdreht seinem Opfer heftig den Arm. Jorell, nun fast am Rande der Bewusstlosigkeit, wird durch den Schmerz wieder in die Realität zurückgerufen und heult wehleidig auf, als sein Oberarmknochen beinahe aus dem Schultergelenk gerissen wird.
"Gib auf!", grollt der Hüne mit tiefer, eiskalter Härte. "Wenn dir dein Arm 'was wert ist, dann gib auf! JETZT!" Jorell kann vor lauter Schmerzen kaum Worte formen, sein Trainer jedoch schon. "Hör auf!", brüllt Pete und wirft das Handtuch zu Boden, welches die ganze Zeit über um seinen Hals hing. Flink und zappelig wie ein Wiesel kommt er in den Ring gekrochen. "Hör auf! Ich sagte keine Knochenbrecher! Du reißt ihm ja den Arm ab... Der Kampf ist vorbei, lass ihn los!"
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Die beiden Frauen brauchen zunächst ein paar Minuten zurück zu Joshua's Haus. Dort angekommen hat sich nicht sehr viel verändert. Der bärtige Penner ist noch immer verschollen und das Gebäude steht einsam und dunkel wie eh und je. Als Sheela ihre Nachricht schreibt und unter der Tür hindurch schiebt, seufzt Claire laut auf. "Und damit geben wir uns jetzt ab? Was ist, wenn der erst einkaufen war und reichlich Reserven gebunkert hat? Den Zettel sieht er erst, wenn er seine Bude verlässt und ins Erdgeschoss hochgeht, denn er wohnt ja scheinbar im Keller. ... Wir haben nur ne knappe Woche, bevor Graham los will..."